Vor- und Nachteile des Lebens in Frankreich: Das sagen die Schweizer:innen, die dort wohnen

Die Schweizer:innen schätzen das Land für seine Lebensqualität und die niedrigeren Lebenshaltungskosten. Allerdings beklagen sie auch den rauen Umgangston und die hohen Steuern. Hier sind je fünf Vor- und Nachteile des Lebens in Frankreich laut den Expats.
Mit über 212’000 Staatsangehörigen beherbergt Frankreich die weltweit grösste Schweizer Gemeinschaft. Eine Rolle spielen hierbei sicherlich die gemeinsame Sprache und Kultur mit der Westschweiz.
Aber es gibt weitere Gründe, wieso Frankreich so ein beliebtes Gastland für die Diaspora ist.
DIE VORTEILE
1. Lebenshaltungskosten
Am häufigsten genannter Vorteil sind die Lebenshaltungskosten, die in den meisten französischen Regionen deutlich niedriger sind als in der Schweiz – mit Ausnahme einiger Grossstädte, der Côte d’Azur oder bestimmter Grenzgebiete.
«Natürlich sind die Kosten für das tägliche Leben deutlich niedriger», erklärt Leserin Denise in unserer Debatte über die Vor- und Nachteile des Lebens in Frankreich als Auslandschweizer:in. «In der Schweiz hätte ich finanziell nicht mithalten können», kommentiert eine andere Leserin, die in der Schweiz kurz vor ihrem 60. Geburtstag keine Arbeit mehr fand.
Zwar ist Zweitere noch nicht im Ruhestand, doch viele Menschen im Rentenalter wandern freiwillig oder gezwungenermassen aus, weil ihre Rente für die hohen Lebenshaltungskosten in der Schweiz nicht ausreicht. «Mit der Auszahlung meiner Schweizer Rente und der meiner Frau habe ich keine allzu grossen finanziellen Sorgen, obwohl man schon rechnen muss», sagt Pascal E.
Dies bestätigt auch Elke Chapuisod: «Die Lebenshaltungskosten sind niedriger als in der Schweiz, aber bei einigen Produkten beginnt die Differenz durch die Inflation zu verschwinden.» Seit 2022 und dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine verzeichnet das Land eine durchschnittliche jährliche Inflation von +4%Externer Link, verglichen mit durchschnittlich +2%Externer Link in der Schweiz. Diese ist zuletzt sogar auf 0% gesunken.
Über das tägliche Leben hinaus ermöglicht das Leben in Frankreich vielen Schweizer:innen den Erwerb von Wohneigentum, wie Yolande Coutret, eine alleinstehende Rentnerin, berichtet: «Ich konnte mir ein kleines ebenerdiges Haus mit Garten kaufen, was in der Schweiz unmöglich gewesen wär.»
«Die Preise für Sach- und Personenversicherungen sind ebenfalls vorteilhaft», fügt Denise hinzu.
2. Lebensqualität
Der Ruf der entspannten französischen Lebensart erhält ebenfalls viel Zuspruch bei den Schweizer:innen in Frankreich.
«In Frankreich hat das Savoir-vivre für uns eine ganz neue Bedeutung bekommen: die guten Restaurants, die Einkäufe im Lebensmittelgeschäft oder auf dem Markt… und die Menschen achten auch auf ihr Äusseres», sagt N. Frei. Dies bestätigt auch eine Leserin mit Zürcher Wurzeln: «Im Südwesten fliesst das Leben gemächlich dahin, kein Stress.»

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3. Soziales Leben
Diese Lebensqualität geht einher mit einem angenehmen sozialen Leben.
Für eine unserer Leserinnen «nehmen sich die Menschen hier Zeit für eine Mahlzeit, um zu diskutieren und die Welt neu zu erfinden, immer in einer geselligen Atmosphäre». Und «die Menschen sind spontaner als in der Schweiz», fügt Yolande Coutret hinzu.
Mehrere Personen berichten auch von einem guten Empfang. «Meine Frau und ich haben uns an verschiedenen Aktivitäten im Dorf beteiligt und wurden sehr gut aufgenommen», sagt Pascal E. Auch Nicole Hering führt aus, dass sie «im Elsass gut aufgenommen und auch als Ausländerin gut behandelt wurde».
Das hindert die Einheimischen nicht daran, gelegentlich kleine Scherze zu machen. «Mein leichter Akzent und die Schweizer Wörter, die ich verwende, bringen meine Kollegin zum Lachen», sagt Nancy, die in Verdun lebt.
4. Klima
Das Klima wird häufig als einer der positiven Aspekte des Lebens in Frankreich genannt. Olivier Ricol sagt, er schätze das Leben in der Provence, insbesondere «wegen des Klimas».
Ein anderer Leser äussert sich ähnlich: Das freundliche Klima sei ein wichtiger Faktor, der eine natürliche und angenehme Umgebung präge.
5. Medizinische Versorgung
Ein nicht zu unterschätzender Vorteil in den Augen unserer Leserschaft ist das Krankenversicherungssystem.
«Die Behandlungen wurden mir kostenlos gewährt, ohne Selbstbehalt oder Limit. Sogar meine Zähne wurden neu gemacht. In der Schweiz hätte ich mir die Behandlung nie leisten können», sagt Denise.
Pascal E. stimmt dem zu: «Mein Diabetes und meine Hörgeräte werden zu 100% bezahlt. Ich profitiere von einer regelmässigen und gründlicheren medizinischen Betreuung als in der Schweiz.»
Eine Begeisterung, die N. Frei etwas relativiert: «Positiv ist, dass man ziemlich schnell einen Termin bekommt und dass dieser online vereinbart werden kann. Die Ärzte gelten allerdings noch immer als Götter in weissen Kitteln. Die Kommunikation ist einseitig. Der Arzt weiss, was gut ist, Punkt.»

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DIE NACHTEILE
Das Leben in Frankreich ist aber nicht immer nur rosa. Es gibt auch negative Aspekte , wie Schweizer:innen berichten, die das Land täglich erleben.
1. Unhöflichkeiten und Unsicherheit
Zu den Hauptkritikpunkten zählen die Schweizer:innen Unhöflichkeiten und Unsicherheit.
«Man diskutiert zehn Minuten neben seinem Fahrzeug und lässt den Motor laufen, der Müll wird nicht wie vorgeschrieben zur Mülldeponie gebracht…», sagt Elke Chapuisod. Unser Leser Dorier fügt der Liste mangelnder Respekt im Strassenverkehr oder die nicht getrennten Abfälle hinzu – Unsitten, die die Gemeinden und damit die Steuerzahlenden jährlich mehrere Milliarden Euro kosten.
Olivier Ricol «vermisst das Leben in der Schweiz ein wenig, mit mehr Sicherheit und weniger Unhöflichkeiten». Die Rentnerin Yolande Courtet geht viel mit ihrem Hund spazieren, fühle sich «hier aber überhaupt nicht sicher, während ich in der Schweiz keine Angst hatte, allein unterwegs zu sein».
Seit mehreren Jahren nimmt das Gefühl der UnsicherheitExterner Link in der französischen Bevölkerung zu. 2023 gaben 21% an, sich in ihrem Dorf oder Viertel nicht sicher zu fühlen.
2. Steuern
Auch die Steuern werden von der Diaspora kritisiert. «Ein grosser Minuspunkt», sagt Denise. «Aber es scheint sich zu verbessern.»
Neben den üblichen Steuern beunruhigt Joseph die Frage der Erbschaft: «Ich werde langsam älter und was mich am meisten beunruhigt, ist, wie mein Vermögen bei meiner Erbschaft besteuert wird.» Einer unserer Lesenden bezeichnet das Fehlen eines Abkommens zwischen der Schweiz und Frankreich als «grosses Problem». Tatsächlich gibt es seit 2015 kein Abkommen mehr, das Erbschaften zwischen den beiden Ländern regelt, was zu Doppelbesteuerungen führen kann.

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3. Politisches System
Für viele Schweizer:innen ist es schwierig, von der halbdirekten Demokratie der Schweiz zu einem mehr hierarchisch aufgebauten System in Frankreich überzugehen.
«Die französische Bevölkerung wählt Personen, die dann die ganze Macht haben. Es wird nicht nach seinen Wünschen gefragt und unterliegt den Entscheidungen der gewählten Personen. Das ist traurig und empörend», sagt Nicole Hering.
Elke Chapuisod stimmt dem zu und versteht, warum die Franzos:innen schimpfen und demonstrieren, denn «ausser bei den Kommunal- und Präsidentschaftswahlen werden sie nicht demokratisch konsultiert».
4. Bürokratie
Das politische System wirkt sich auch auf die Verwaltungsstrukturen aus, die viele als schwerfällig empfinden. Die Verwaltungen seien «nicht reaktionsfreudig und träge», sagt Nancy.
Noel F., Vater von kleinen Kindern, ist ausserdem der Meinung, dass die Regeln des Zusammenlebens nicht flexibel genug sind, insbesondere was die Schulbildung betrifft: «Schulpflicht ab 3 Jahren ist sehr früh.» Zudem würden die Behörden es einem mit der Bürokratie nicht einfach machen. «Ecole Maternelle ist an den Wohnort gebunden, den man zu Beginn noch nicht hat resp. später auch nicht einfach gewechselt werden kann.»
Mehrere Schweizer:innen heben immerhin hervor, dass sie alle administrativen und offiziellen Dokumente kostenlos erhalten.
5. Mangel an Genauigkeit
Ein letzter Punkt scheint unsere Leser:innen manchmal zu irritieren: Es geht um die Genauigkeit, mit der man es in Frankreich weniger genau zu nehmen scheint als in der Schweiz.
So ärgert sich Nancy über den Mangel an Pünktlichkeit und das «Laisser-faire». Elke Chapuisod findet, dass es weniger professionell zugeht als in der Schweiz, und Nicole Hering beklagt die zahlreichen Streiks, «die das Leben vieler Menschen belasten».
Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen: Claire Micallef

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